Angeborene Fürsorge
 
Viele Tierarten und auch Menschen versorgen ihren Nachwuchs hingebungsvoll. Besonders gut kann man die Brutpflege bei Brieftauben oder anderen Haustauben im Taubenschlag beobachten. Brieftauben sehen wie die meisten Stadttauben aus, die unter den Tischen der Cafés in Innenstädten ihr Futter suchen und deren Gurren zu den vertrautesten Lauten in der Stadt gehört.

 

Brieftaube mit Küken

Wärmende Brieftaube

 

Alle Haus- oder Straßentauben stammen von den wilden Felsentauben ab, die im Mittelmeerraum in Felsenhöhlen brüten. Im Taubenschlag sucht sich ein Taubenpaar nach der Verlobung eine Nistecke oder eine Kabine und baut mit Zweigen und anderen Materialien ein einfaches Nest. Darin liegen bald zwei weiße Eier, die in 17 bis 19 Tagen von beiden Eltern ausgebrütet werden; sie füttern auch die Jungen gemeinsam, die nach etwa 35 Tagen ausfliegen. Danach beginnt der aufgeplusterte Täuber mit Gurren und vielen Verbeugungen seine Täubin zu umwerben, die dann wieder ihre beiden Eier legt. Während des Jahres folgt eine Brut auf die andere, wobei das in lebenslanger Einehe lebende Paar seine Aufgaben zuverlässig erfüllt. Dieses aufopfernde Brutpflege-Verhalten ist den Tieren angeboren.

Nestflüchter wie Hühner, Enten, Schnepfen und Kiebitze tragen beim Schlüpfen bereits ein Federkleid und können selbstständig Nahrung aufnehmen. Sie werden von den Eltern lediglich geführt, bis sie herangewachsen sind. Nesthocker wie Schwalben, Drosseln und Spechte kommen nackt und hilflos zur Welt. Sie werden von den Eltern gefüttert, gesäubert und gewärmt, bis sie flügge werden. Angriffe auf die Jungen versuchen die Eltern mit großem Mut abzuwehren. Einige Fischarten bauen Nester wie das Stichlingsmännchen, es bewacht die Brut, fächelt ihr frisches Wasser zu und nimmt bei Gefahr den kleinen Schwarm ins Maul.

 

Kindchenschema nach Konrad Lorenz (Schwarz-Weiss-Grafik)

Kindchenschema. Aus: „ABC-Biologie“, Leipzig 1976

 

Auch Menschen scheinen auf zu versorgende Kleinkinder mit angeborenen Verhaltensweisen zu reagieren. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz machte mit einem Bild vom Kind auf Merkmale aufmerksam, die bei Eltern und anderen Betrachtern innige Gefühle und Pflegeverhalten auslösen: Der im Verhältnis zum Körper große Kopf, die großen Augen, die rundliche Körperform, die Pausbacken und die Tolpatschigkeit des Kleinkindes rufen Verhaltensweisen hervor wie Auf-den-Arm-nehmen, Streicheln, Füttern oder Ausrufe „niedlich“ oder „herzig“.

Diese Merkmale sind ebenfalls in der Puppen- oder Filmindustrie zu finden: Zum Beispiel haben Donald Duck und seine drei Neffen auch Eigenschaften des Kindchenschemas von Konrad Lorenz (1943).

FD, 26.02.2014

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